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Das Hölderlinhaus ist eröffnet
Das Projekt Hölderlinhaus wurde in Nürtingen rund 20 Jahre lang diskutiert, während das Gebäude zunehmend verfiel. Es handelt sich um das Haus, in dem Friedrich Hölderlin seine Kindheit und Jugend verbracht hat. Baujahr 1750 als Wohnhaus, ab 1811 Nutzung als Schulgebäude und diverse Umbauten mir erheblichsten Veränderungen der ursprünglichen Struktur.
2008 gab es ein Projekt für einen Neubau des Hauses. Diese Planung wurde nach Protesten aus der Bürgerschaft und einem Gutachten zur historischen Bausubstanz nicht verwirklicht, woraufhin das Projekt erstmal auf Eis gelegt wurde.
2014 entschied der Gemeinderat, das Projekt auf Grundlage einer internen Machbarkeitsstudie des städtischen Eigenbetriebs Gebäudewirtschaft (GWN) weiter zu verfolgen. Diese wurde in einem kooperativen Entwicklungs- und Willensbildungsprozess zusammen mit dem Kulturamt, der Verwaltung, Bürgerschaft, Vereinen, dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach und weiteren Engagierten oder Betroffenen unter laufender Einbeziehung des Gemeinderats entwickelt.
Die Machbarkeitsstudie schloss neben dem Hölderlinhaus auch zwei weitere ebenfalls von der Volkshochschule bzw. der städtischen Musikschule genutzte historische städtische Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft ein und entwickelte das Konzept eines „Bildungszentrums am Schlossberg“ mit folgenden Zielen:
- grundlegende Sanierung und der dauerhafte Erhalt und die Vernetzung der drei Gebäude zu einem „Bildungszentrum am Schlossberg“
- Erfüllung zeitgemäßer Anforderungen an die Nutzung auch Brandschutz, Barrierefreiheit, Schallschutz, Akustik, technische Ausstattung
- Belebung der Altstadt und eine zukunftsfähige Aufstellung des Gebietes und der Gebäude für die kommenden Jahrzehnte
Im Mittelpunkt der Betrachtung und als erstes im zeitlichen Ablauf stand das Hölderlinhaus, für das ein Konzept mit vielfältigen Nutzungen einschließlich einer Hölderlinausstellung entwickelt wurde.
2016: Mehrfachbeauftragung von drei Bewerbergemeinschaften aus Architekten und Tragwerksplanern, die mit einer Ideenfindung für alle drei Häuser und das Areal dazwischen und mit einem Vorentwurf für das Hölderlinhaus beauftragt wurden.
Im Folgenden wurde das Konzept von Aldinger Architekten mit dem ersten Preis bedacht, weiter geplant und inzwischen umgesetzt.
Bauweise
In den unteren Geschossen erhaltenes Natursteinmauerwerk und ein Gewölbekeller (Gokscher Keller; ältester Teil des Hauses);
Zwei Außenwände bis zur Traufe erhalten und alles andere neu gebaut
Wieder aufgebaute Bereiche als Holz-Beton-Hybridbau:
- Aufzugsschacht und 2 Treppenhauskerne zur Aussteifung aus Beton
- Decken Mischbauweise Holz und Beton
- Wände Massivholz (auch im Dach)
Besondere Herausforderungen bei der Umsetzung:
Lage mitten in der Altstadt, enges Baufeld
Aufwendige Schutzmaßnahmen für die erhaltene Substanz
- Erhalt zweier Außenwände von bis zu 15 Metern Höhe, die während der Bauzeit mit einem aufwendigen Stützgerüst gesichert wurden
Tragwerk
- Einhalten heutiger Anforderungen wie zu berücksichtigende Lasten für ein öffentliches Gebäude oder die Erdbebensicherheit, die vom bisherigen Gebäude (Wohnhaus von 1750) nicht im Entferntesten eingehalten wurden
- Teilweise fehlende Fundamente unter dem Bestandsbau, die nachträglich geschaffen werden mussten
Erhalt des alten Gewölbekellers (Gokscher Keller):
- statische Sicherung des Gewölbes gegen baustellenbedingte Veränderungen der Auflagersituation durch innenliegende Abspannungen während der Bauzeit
- Überspannung des Gewölbes zur Vermeidung von Lasteinträgen aus den darüberliegenden neuen Bauteilen
Deutliche Veränderungen der ursprünglichen Planung aus bauphysikalischen und konstruktiven Gründen und wegen der Kostenentwicklung
Erhebliche Kostensteigerungen gegenüber den ursprünglichen Ansätzen im Projektverlauf.
Beschreibung
Kosten, Flächen, Förderung
Rund 1500 m² Nettoraumfläche
Rund 2100 m² Bruttogrundfläche
Rund 6900 m³ Bruttorauminhalt
Die genehmigten Kosten betragen 9,8 Mio. €.
Das Projekt wird aus Bundes- und Landesmitteln mit 4,6 Mio. € gefördert.
Funktionale Inhalte des Hauses
- Hölderlinausstellung rund 120 m²
- Veranstaltungskeller rund 100 m²
- Geschäftsstelle der Volkshochschule
- Kundenbereich der Musik- und Jugendkunstschule
- Rund 25 Arbeitsplätze in den Büroetagen
- (Archivräume)
- Schulungsflächen rund 300 m² für 50 Kursteilnehmer/innen
Zwei Treppenhäuser stellen die Fluchtmöglichkeit im Brandfall sicher, ein Aufzug sorgt für die barrierefreie Erreichbarkeit aller Geschosse.
Zeitgemäßer Schallschutz, Akustik, Netzwerk- und Präsentationstechnik
Wesentliche Qualitäten des Entwurfs
- Die wiedererkennbare und doch erkennbar neue Außenerscheinung vermittelt zwischen der Geschichte des Hauses und seiner jetzigen Rolle als vielfältig genutztes öffentliches Gebäude und besonderer Anziehungspunkt in der Nürtinger Altstadt
- Das Haus verbindet eine selbstbewusste Wirkung als besonderes Haus mit einer Einbindung in die Umgebung und wertet die umliegenden Bereiche der Altstadt deutlich auf.
- Das gegenüber dem bauzeitlichen Zustand im Laufe der Jahrhunderte mehrfach veränderte Dach wurde in Form und Materialität neugestaltet und verbindet sich über eine einheitliche Farbgebung mit den in ihrer Außenform erhaltenen darunterliegenden Bereichen des Hauses.
- Der älteste Teil des Hauses, der Goksche Keller, wurde von einem nicht zugänglichen Öltank- und Lagerraum zu einem stimmungsvollen Veranstaltungsraum mit großzügigem neuem Zugang von der Neckarsteige her.
- Im beibehaltenen Außenumriss entstand im Inneren eine völlig neue Raumaufteilung für die heutige Nutzung des Hauses mit einem schönen Zusammenspiel von Sichtholz- und Sichtbetonoberflächen.
- Der Bereich des Hauses, in dem einst die Familie Gok-Hölderlin ihren Wohnbereich hatte, ist jetzt der Ort der Hölderlinausstellung, mit Andeutung der ursprünglichen Raumfolge in einer anderen Materialität.
Fazit
Nach einer langen Zeit der Diskussionen und mehreren Jahren Planungs- und Bauzeit ist das Hölderlinhaus in seiner neuen Erscheinung ein architektonisches Highlight und zu einem besonderen Anziehungspunkt in der Nürtinger Altstadt geworden.